Hat ein Sportler Anspruch auf die Nominierung für Olympia?

Die Probleme der föderativen Struktur seien nun kurz am Beispiel der Nominierung von Sportlern zu Wettkämpfen exerziert.
1. Die Nominierung eines Leistungssportlers zu nationalen oder internationalen Wettkämpfen (Olympische Spiele, WM, deutsche Meisterschaft) durch den zuständigen Sportverband hat für den einzelnen Sportler große sportliche und, wenn er aus seiner sportlichen Tätigkeit wirtschaftlichen Gewinn zieht (Berufssportler), auch wirtschaftliche Bedeutung. Daher haben die Fachverbände inzwischen in der Mehrzahl mehr oder weniger detaillierte Nominierungs-Richtlinien aufgestellt, um so Sicherheit für die Beteiligten zu schaffen und auch nur den Anschein von Willkür zu vermeiden. Der BA-L hat Rahmenrichtlinien entworfen, die von vielen Verbänden weitgehend übernommen worden sind.
2. Die Nominierung wirft wegen ihrer großen vor allem auch wirtschaftlichen Bedeutung eine Reihe von bislang noch wenig geklärten Rechtsproblemen auf:
* Besteht ein Anspruch auf Nominierung? Schon verschiedentlich haben Sportler versucht eine Nominierung für die Teilnahme an Meisterschaften vor staatlichen Gerichten durchzusetzen, sind aber bislang meistens letztlich gescheitert (s. verschiedene Fälle bei Hohl).
* Welche Rechtsbeziehungen ergeben sich aufgrund der Nominierung?
a) Zweifelhaft ist, ob die Verbände wegen der Auswirkung einer (Nicht-)Nominierung auf die Berufsausübung des Sportlers (Art. 12 Abs. 1 GG) rechtlich verpflichtet sind, Nominierungs-Richtlinien zu erstellen und bekanntzugeben oder ob sie völlig frei jeden Einzelfall entscheiden können.
aa) Liegen Richtlinien vor, so ist grundsätzlich davon auszugehen, daß dadurch nach dem vereinsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz eine Selbstbindung des Verbandes eingetreten ist, mit der Folge, daß der Sportler, der die Voraussetzungen erfüllt, einen Anspruch auf Nominierung hat, der möglicherweise sogar vor den staatlichen Gerichten durchsetzbar ist. Dabei kann allerdings die rechtliche Anspruchsgrundlage verschieden sein, je nach dem, ob der Sportler in vereinsrechtlicher, in vertraglicheroder überhaupt in keiner Rechtsbeziehung zum Verband steht. Im letzten Fall kann als Anspruchsgrundlage höchstens §§ 826 BGB/ 26 Abs. 2/ 27 GWB (Verbot der sittenwidrigen Schädigung durch sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung) herangezogen werden.
Die Nominierungs-Richtlinien gewähren indes i.d.R. dem Verband einen gewissen Ermessensspielraum, der von den Gerichten zu achten ist, wenn er mit sporttypischen Erwägungen ausgefüllt wird. Ist beispielsweise nach den Richtlinien grundsätzlich derjenige zu nominieren, der in einer festgelegten Anzahl von Wettkämpfen die besten Ergebnisse erzielt hat, so kann der Verband möglicherweise unter Ausnutzung des eingeräumten Ermessens einen anderen vorziehen, weil dieser in der Zeit der Wettkämpfe erkrankt war, in der übrigen Wettkampfsaison aber durchwegs bessere Leistungen erbracht hatte. Bei Mannschaftssportarten spielt neben der objektiven Leistung immer auch die Mannschaftsdienlichkeit des einzelnen Sportlers eine wichtige Rolle, so daß hier das Ermessen des Verbandes besonders weit ist. Eine Nicht-Nominierung ist auch dann sachgemäß, wenn sie mit regelwidrigen Dopingvergehen des Sportlers begründet wird.
bb) Besondere Rechtsprobleme entstehen dadurch, daß bei der Nominierung oft mehrere Verbände beteiligt sind: Die Nominierung zu Olympischen Spielen beispielsweiseerfolgt durch das NOK an das IOC aufgrund eines Vorschlages des jeweiligen Fachverbandes; das IOC spricht dann die Einladung an den Sportler aus. Weder das NOK noch das IOC sind an die Entscheidungen der vorgeschalteten Verbände gebunden. Selbst wenn ein Sportler daher vor einem staatlichen Gericht seinen Anspruch auf Nominierung gegen seinen Fachverband durchsetzen sollte, und dieser ihn daraufhin dem NOK (oder entsprechend das NOK dem IOC) vorschlägt, so könnte dieses den Vorschlag ablehnen; da der Sportler weder mit dem NOK und erst recht nicht mit dem IOC in einer vertraglichen oder vereinsrechtlichen Beziehungen steht, dürfte ein Anspruch gegen das NOK nur bei sittenwidrigem Verhalten (§ 826 BGB) oder Mißbrauch seiner monopolartigen Stellung (Diskriminierungsverbot, § 26 Abs. 2 GWB Marktbeherrschendes Unternehmen) bestehen. Gegen das IOC schließlich ist ein Anspruch vor deutschen Gerichten schon mangels Zuständigkeit eines deutschen Gerichts praktisch überhaupt nicht durchsetzbar, ganz abgesehen davon, daß grundsätzlich auf die dabei entstehenden Rechtsfragen nicht deutsches sondern schweizerisches Recht (Sitz des IOC in Lausanne) anwendbar ist.
b) Durch die Nominierung eines Sportlers entsteht zwischen dem nominierenden Verband und dem Sportler ein zivilrechtliches Vertragsverhältnis, wenn der Sportler mit der Nominierung einverstanden ist. Eine Verpflichtung, sein Einverständnis zu geben, kann sich für den Sportler aus einer zwischen ihm und dem Verband schon vorher bestehenden Vertragsbeziehung ergeben, etwa wenn der Sportler in einen Kader berufen oder in sonstiger Weise gefördert worden war. Aufgrund des durch die Nominierung entstandenen Vertrages haben die beiden Parteien die gegenseitig zugesagten Leistungen zu erbringen, insbesondere muß der Verband die gegebenenfalls versprochene (finanzielle) Förderung des Sportlers durchführen. Ob durch die Nominierung schon ein endgültiger Anspruch des nominierten Sportlers oder auch des Verbandes auf Teilnahme an dem Wettbewerb entsteht, hängt von der Vereinbarung ab; grundsätzlich ist anzunehmen, daß bei plötzlichen Änderungen der Umstände (z.B. Formtief) eine Kündigung zulässig ist.

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