Muss man eine Vereinsstrafe akzeptieren?

a) Die Vereinsstrafe ist eine Disziplinarmaßnahme, die ein Verein oder Verband (dann wird häufig von Verbandsstrafe gesprochen) gegen ein Mitglied wegen eines Verstoßes gegen die Satzung, die Vereinsordnungen oder das sonstige Regelwerk verhängt. Die Vereinsstrafgewalt ist Ausfluß der Vereinsautonomie und besteht daher nur gegenüber einem (ev. mittelbaren) Mitglied des Vereins. Soweit ein Verein oder Verband gegenüber einem Nichtmitglied (z.B. Benutzer einer Vereinseinrichtung, Lizenzspieler) seine Strafgewalt ausüben will, muß sie von diesem durch einen Vertrag anerkannt worden sein und ist dann als Vertragsstrafe i.S. der §§ 339 ff BGB anzusehen (str.); aus dem in den Fällen der Benutzung einer sächlichen Vereinseinrichtung bestehenden Hausrecht des Veranstalters läßt sich nämlich ohne vertragliche Vereinbarung allenfalls ein Hausverbot (Stadionverbot) ableiten aber keine sonstige Strafbefugnis.
b) Im Bereich des Sports muß man hinsichtlich der Vereinsstrafe - unabhängig von ihrer rechtlichen Einordnung - sinnvollerweise unterscheiden zwischen Spielstrafen, die sich in ihren Auswirkungen auf ein Spiel beschränken (unten aa) und darüber hinausgehenden Vereinsstrafen im engeren Sinn (unten bb). aa) Mit einer Spielstrafe ahndet der Schieds- oder Kampfrichter den Verstoß eines Spielers gegen eine Spielregel; Spielstrafen sollen grundsätzlich - soweit sie keine weiteren Auswirkungen über das Spiel hinaus haben (sogen. spielleitende Entscheidungen) - als "Tatsachenentscheidungen des Schiedsrichters" unanfechtbar sein; ; jedoch haben Sportgerichte in schweren Fällen von diesem Grundsatz Ausnahmen gemacht (vgl. dazu zuletzt Hilpert, SpuRt 1999, 49 ff). bb) Soweit der Verstoß gegen eine Spielregel hingegen mit einer Disziplinarmaßnahme geahndet wird, die über das einzelne Spiel hinaus Auswirkungen hat (z.B. Sperre, Entziehung der Lizenz, Punkteabzug, Disqualifizierung), kann ein Sportgericht auch nachträglich eine Entscheidung treffen und gegebenenfalls die Entscheidung des Schiedsrichters abändern ("Fernsehurteil"); sie ist dann Vereinsstrafe im engeren Sinn. Daneben gibt es Vereinsstrafen, die überhaupt keinen Bezug zu sport-typischen Regeln haben, und sich daher auch bei anderen Vereinen finden, z.B. wegen "vereinsschädlichen Verhaltens". Als Vereinsstrafen im engeren Sinn kommen vor allem in Betracht: * Ehrenstrafe * Geldstrafe * zeitweilige Entziehung von Nutzungsmöglichkeiten der Vereinseinrichtungen (Sperre) oder einer Förderung * Entziehung einer schon erlangten Stellung (Punkteabzug, Zwangsabstieg) Der Ausschluß aus dem Verein ist nicht als Vereinsstrafe zu werten (str.). Es gilt nämlich der allgemeine Rechtsgrundsatz, daß alle auf Dauer angelegten Rechtsverhältnisse - wie die Mitgliedschaft in einem Verein - jedenfalls bei Vorliegen eines wichtigen Grundes einseitig durch Auflösung (Kündigung) beendet werden können; daher kann ein Mitglied bei entsprechendem Verhalten auch dann aus dem Verein ausgeschlossen werden, wenn der Ausschluß nicht als Vereinsstrafe in der Satzung vorgesehen ist, während die sonstigen Vereinsstrafen, die in die Rechtsposition eines Mitglieds eingreifen - wie die oben genannten - ihre Grundlage in der Satzung haben müssen.
c) Die rechtliche Einordnung der Vereinsstrafe ist umstritten. Die h.M. unterscheidet Vereins- und Vertragsstrafe. Die Vereinsstrafe sei eine Art von Disziplinarstrafe und dürfe durchaus auch ein Unwerturteil gegenüber dem Bestraften ausdrücken, während die Vertragsstrafe nur der Durchsetzung von Vertragspflichten dient. Neuerdings hingegen wird die Vereinsstrafe der Vertragsstrafe gleichgesetzt, da beide letztlich auf der Privatautonomie, also auf der Zustimmung des der Strafgewalt Unterworfenen beruhten, und da auch die Vereinsstrafe wie die Vertragsstrafe nur der Durchsetzung der (vereinsrechtlichen) Pflichten des Vereinsmitglieds diene und darüberhinausgehend kein Unwerturteil enthalten dürfe. Zumindest sollten aber die die Vertragsstrafe betreffenden Paragraphen gegebenenfalls in Verbindung mit §§ 315 ff. BGB (Leistungsbestimmungsrecht) auf die Vereinsstrafe entsprechend angewendet werden. Jedenfalls sind Vereinsstrafen keine Kriminalstrafen, die nur von den staatlichen Gerichten ausgesprochen werden können. Vereinsstrafen sind - soweit sie überhaupt rechtlich relevant sind - privatrechtlicher Natur; allerdings werden Grundsätze des staatlichen Strafrechts auch bei Vereinsstrafen von den Sportgerichten z.T. angewendet. aa) Unbestritten ist, daß grundsätzlich eine Vereinsstrafe, die in eine Rechtsposition des bestraften Mitglieds eingreift, von einem staatlichen (Zivil-)Gericht auf Klage des Bestraften auf ihre Rechtmäßigkeit hin nachgeprüft werden kann, selbst wenn in der Vereinssatzung bestimmt ist, daß die Anrufung staatlicher Gerichte ausgeschlossen sei. Ein Ausschluß der staatlichen Gerichtsbarkeit ist nur zulässig, wenn stattdessen ein echtes Schiedsgericht (gemäß § 1025 ff ZPO) vorgesehen ist. bb) Streitig ist hingegen die Frage, in welchem Umfang die staatlichen Gerichte Vereinsstrafen nachprüfen können. Früher hat sich die Rechtsprechung wegen des Grundsatzes der Vereinsautonomie bei der Kontrolle von Vereinsstrafen sehr zurückgehalten. Angesichts der wirtschaftlich oder sozial mächtigen, meist monopolistischen Verbände, wie die Sportverbände, die für das einzelne Mitglied u.U. von existentieller Bedeutung sind, hat die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes unter dem Einfluß der Wissenschaft eine deutliche Wendung vollzogen. Nach dem derzeitigen Stand überprüft ein ordentliches Gericht gegenüber einem Verband eine Vereinsstrafe, die in eine Rechtsposition des Betroffenen eingreift, dahin, ob * sie eine Grundlage in der Satzung (oder einer "Rechts- und Verfahrensordnung" als Bestandteil der Satzung, Vereinsordnung) findet. Sowohl die Voraussetzungen einer Bestrafung als auch die auszusprechenden Maßnahmen als auch das Entscheidungsorgan bedürfen einer Grundlage in der Satzung; zweifelhaft ist, ob eine Generalklausel in der Satzung genügt, wenn die nähere Ausgestaltung einer Strafordnung vorbehalten ist. Viele Disziplinarordnungen von Verbänden enthalten neben einzelnen genau umschriebenen Straftatbeständen auch eine Generalklausel ("vereinsschädliches Verhalten"). * die der Bestrafung zugrunde liegende Regelung der Billigkeit entspricht oder wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) unwirksam ist.Hierbei prüft das Gericht die (sport-typischen) Interessen des Verbandes, der Mehrheit und der Minderheit der Mitglieder. Die sport-typischen Interessen können eine andere Wertung erlauben als das allgemeine staatliche Recht, ohne daß dies vom ordentlichen Gericht zu beanstanden wäre (Privatautonomie). Auf die persönlich-private Sphäre (Privatleben) eines Mitglieds kann sich die Vereinsstrafgewalt nicht erstrecken. * das in der Satzung oder Disziplinarordnung vorgesehene Organ entschieden und dabei das vorgesehene Verfahren eingehalten hat. Das Verfahren muß jedoch rechtsstaatlichen Grundsätzen genüben, insbesondere muß dem Betroffenen rechtliches Gehör gewährt werden und muß fair durchgeführt worden sein. Nach der Rechtsprechung bedarf das vereinsinterne Strafverfahren keiner Grundlage in der Satzung. * die zugrunde liegenden materiellen (Verbands-/Vereins-)Regeln richtig angewendet wurden (Subsumtions-kontrolle), * die der Bestrafung zugrunde liegenden Tatsachen vom entscheidenden Vereinsorgan richtig festsgestellt worden sind (volle Tatsachenkontrolle), * die ausgesprochene Strafe gesetz-, sittenwidrig oder offenbar unbillig, insbesondere unverhältnismäßig ist. Vor allem muß der Grundsatz der Gleichbehandlung der Mitglieder gewahrt worden sein. Auch hierbei werden die sport-typischen Interessen beider Seiten berücksichtigt. cc) Zweifelhaft ist, ob die Bestrafung ein Verschulden (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) des Täters voraussetzt. Reine Spielstrafen können wohl auch ohne Feststellung eines Verschuldens verhängt werden, da hierdurch gerade die Chancengleichheit, die durch die Übertretung verletzt worden ist, wieder herstellt (z.B. die Aberkennung eines Sieges wegen schuldloser Einnahme von Doping). Eine über das Spiel hinausgehende Bestrafung setzt hingegen grundsätzlich Verschulden voraus (Im Doping-Fall etwa eine längere Sperre. Vgl. Vieweg, NJW 1991, 1511, 1515). Um den staatlichen Gerichten die rechtlich zulässige Überprüfung einer Vereinsstrafe auch tatsächlich zu ermöglichen, bedarf der Ausspruch einer Vereinsstrafe, die in eine Rechtsposition des Bestraften eingreift, einer schriftlichen Begründung durch das entscheidende Vereinsorgan.

< zurück zur FAQ-Übersicht